Ostersonntag auf dem Camino del Norte – mit Sabine, Sand & steilen Stufen
Der Camino del Norte hat uns heute gnädig behandelt – zumindest am Anfang. Nach den gestrigen 30 Kilometern gönnt sich Sabine heute den wohlverdienten Luxus eines kleinen Ausschlaf-Moments. Und ich? Ich gönn’s ihr. Um 8:30 Uhr rollen wir aus dem Bett, und um Punkt 9:00 Uhr sitzen wir schon – halb wach, aber hungrig – im ersten Café. Denn wer auf dem Camino del Norte wandert, weiß: Ein guter Kaffee ist so wichtig wie die Wanderschuhe.
Es ist Ostersonntag, also lassen wir’s ruhig angehen. Also… eigentlich. Denn „ruhig“ ist auf dem Camino immer relativ. Kaum losgelaufen, spüren wir nichts mehr von der gestrigen Belastung. Die Beine sind wieder fit – erstaunlich! Die Nacht in der Pension war herrlich ruhig, und das Bett? Himmlisch.
Von der Promenade zur Gefängnismauer – Willkommen im Wanderkino
Die ersten fünf Kilometer laufen wir entspannt an der Promenade entlang. Der Atlantik glitzert, Möwen kreischen, und die Sonne zeigt sich auch mal von ihrer freundlichen Seite. Dann kommt das erste Highlight des Tages: die kleine, aber spektakuläre Fährfahrt auf die andere Seite der Bucht. Der Wind weht uns ordentlich durch die Haare, und es fühlt sich fast ein bisschen nach Abenteuerfilm an – aber ohne Spezialeffekte.
Kaum auf der anderen Seite, folgt ein langes Stück entlang einer schier endlosen Gefängnismauer. Und ja, wir sind heilfroh, draußen entlang zu spazieren – mit Meerblick – statt drinnen hinter Gittern zu sitzen. Diese Mauer scheint nie zu enden, aber hey: besser Gefängnismauer als Mauer in den Oberschenkeln.
Kaffee, Knie und Küste – Camino del Norte in Bestform
An der Playa del Berria machen wir Pause. Eine kleine Bar lädt zur Rast ein, also sagen wir nicht nein. Mein rechtes Knie, das eigentlich schon einen OP-Termin wegen Meniskusschaden verdient hätte, hält erstaunlich gut durch – trotz Sturz in einer Bar vor ein paar Tagen. Ein bisschen zwickt es, aber solange die Schmerzskala bei „geht noch“ bleibt, laufen wir weiter. Und das geht!
Nach dem Einreiben, Dehnen und Warmlaufen ist alles wieder im Lot. Die Landschaft entschädigt sowieso für alles: Der Atlantik rauscht, der Wind pfeift, und wir werden immer wieder von Spaziergängern freundlich, aber akustisch unverständlich gegrüßt. Der Wind ist so laut, dass man nur an den Lippen ablesen kann: „Buen Camino!“, vermuten wir. Oder vielleicht rufen sie auch: „Ihr seid verrückt!“ – wer weiß das schon.
Felsen, Stufen und der Preis fürs Paradies
Und dann kommt er: Der Anstieg. Nein, eigentlich ist das eher eine Mischung aus Treppenlauf, Kletterpartie und Balanceakt. Rutschige Felsen, steile Stufen, und zwischendurch frage ich mich ernsthaft, ob wir aus Versehen auf einem Alpen-Gelände gelandet sind. Aber dann – die Belohnung: Auf dem Gipfel blicken wir auf zwei Seiten des Berges gleichzeitig. Links ein wilder Atlantik, rechts ein endloser, wunderschöner Strand. Sprachlos. Kurz.
Denn schon geht’s wieder runter – diesmal auf der anderen Seite. Wir landen auf einem unfassbar breiten Sandstrand, der uns sechs Kilometer bis nach Noja begleitet. Der Sturm hat den Sand in wilden Mustern über den Boden gefegt, die Wellen donnern, der Wind brüllt, und wir fühlen uns wie in einem epischen Naturfilm – ohne Regie, aber mit ordentlich Gegenwind.
Im Trance-Modus nach San Miguel de Merluelo
Die letzten vier Kilometer laufe ich einfach nur noch – irgendwie – wie in Trance. Sabine ist ein Stück hinterher, der Wind weht mir jeden Gedanken aus dem Kopf, und mein Fokus liegt einzig und allein auf dem Ziel: San Miguel de Merluelo, unser heutiger Endpunkt auf dem Camino del Norte.
Dort wartet ein Hotel auf uns – 70 Euro die Nacht, aber leider ohne Charme. Es fehlt das urige Flair der einfachen Pilgerunterkünfte. Trotzdem: Es gibt ein Bett, und das ist alles, was zählt. Das Abendessen? Naja… wir werden satt. Mehr auch nicht. Kein kulinarischer Höhenflug, aber immerhin ein voller Magen.
Fazit: Ein Camino-Tag voller Kontraste
Der Camino del Norte zwischen Laredo und San Miguel de Merluelo ist ein echtes Abenteuer – mit Promenaden und Knastmauern und Kletterpartien, mit Windböen und Wellenrauschen. Und obwohl man abends manchmal nur noch taumelnd ins Bett fällt, ist jeder Schritt es wert.

































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2 Antworten
Wir „verfolgen“ fasziniert, erstaunt, gespannt und mit Hochachtung jede euere Etappen. Es ist ja einiges los auf eurem langen Weg. Wir wünschen euch weiterhin viel Freude, gutes Wetter, stabile Knie und immer bequeme Betten.
Vielen lieben Dank und liebe Grüße an Euch.
Sabine und René