Camino del Norte – Zwischen himmlischem Pilgerglück und hotelgewordenem Wahnsinn
Der Camino del Norte ist eigentlich ein spiritueller Weg voller Ruhe, Natur und innerer Einkehr – zumindest in der Theorie. In der Praxis hat uns ein gewisses Hotel am Vorabend einen kleinen Vorgeschmack auf eine Karriere als Ermittler in eigener Sache gegeben. Und das ganz ohne Verbrechen, sondern mit einer völlig absurden Drohmail der hauseigenen Rechtsabteilung. Angeblich hätten wir versucht, ein Geschenk zu erpressen. Na klar, weil ich auf meiner Pilgerreise dringend noch eine Gratis-Seife und ein Duschhaubenset brauche!
Obendrauf wurde uns noch vorgeworfen, wir hätten andere Gäste gestört und sogar eine Bedrohung auf Vandale ausgesprochen. Natürlich alles totaler Quatsch. Und als wäre das nicht schon genug surrealer Stoff für eine Netflix-Miniserie, drohte man auch noch mit einer Beschwerde bei Booking.com.
Vorsichtshalber mal WhatsApp gesichert
Was diese Hotelhelden allerdings nicht auf dem Schirm hatten: Ich hatte unsere WhatsApp-Kommunikation bereits gesichert – per Screenshot und sogar als Videoaufnahme. Prompt wurde die große Klappe ganz kleinlaut. Denn: Kundenkontakt sollte eigentlich ausschließlich über Booking laufen. Hoppla! Auf einmal war die ganze Drohkulisse wie weggeblasen. Mein persönliches Highlight? Ich bin Genius Level 2 bei Booking – und hatte noch nie derart skurrile Erlebnisse.
Nach einer Nacht, die erst um 1:00 Uhr endete, war klar: Einschüchterung ist hier offenbar Teil der Taktik. Aber hey – wir sind auf dem Camino del Norte und nicht auf der Flucht vor einem Mafia-Kartell. Also: Frühstück im Hotelzimmer, letzte Kontrollrunde durch das ordnungsgemäß verlassene Zimmer (dokumentiert, versteht sich!) und dann rückwärts filmend raus aus dem Laden. Sicher ist sicher.
Und einmal mehr wird klar wie sehr wir die Übernachtungen in den Pilgerherbergen lieben.
Ein neuer Tag, ein neuer gelber Pfeil
Zum Glück fängt der Tag so an, wie man es sich auf dem Camino del Norte wünscht: Nach wenigen hundert Metern entdecken wir wieder unseren geliebten gelben Pfeil. Dieser einfache Wegweiser ist wie ein alter Freund – zuverlässig, unaufgeregt und ohne juristische Ambitionen.
Es geht bergauf. Dreieinhalb Kilometer lang kitzelt der Aufstieg zum Monte Avril unsere Waden, aber oben angekommen wird’s aussichtsreich. Und dann? Wieder dreieinhalb Kilometer runter in die Altstadt von Bilbao.
Was macht man nach einer Berg- und Talfahrt? Genau – Tapas! Die erste Bar, die uns fröhlich anlächelt, wird spontan unser Wohnzimmer. Draußen auf dem Platz tobt das Leben, wir genießen die Atmosphäre und die Tatsache, dass uns gerade niemand mit Anwälten droht.
Ballast abwerfen – körperlich und seelisch
Frisch gestärkt geht’s weiter durch die malerische Altstadt, vorbei an der Kathedrale und runter zum Fluss. Am Ufer entlang trotten wir Richtung Poststelle. Heute heißt es: Ballast abwerfen! Etwa zwei Kilo an Kram, den wir bisher durch Nordspanien geschleppt, aber nie gebraucht haben, gehen zurück nach Irun. Dort wartet unser Camper – und eine freundliche Campingplatzbetreiberin, die uns versprochen hat, die Sachen sicher aufzubewahren.
Mit jedem Schritt fühlen wir uns leichter. Nicht nur der Rücken, auch die Seele dankt es uns. Und als wäre das nicht genug, wartet am Ende dieses Tages noch ein echtes architektonisches Highlight auf uns.
Guggenheim Bilbao – wenn ein Gebäude zum Kunstwerk wird
Da steht es: Das weltberühmte Guggenheim Museum Bilbao. Und es sieht aus, als hätte jemand einen futuristischen Wal aus Titan und Glas in die Stadt gespült. Die geschwungenen Formen, das Spiel aus Licht und Spiegelungen – das Gebäude selbst ist bereits ein Kunstwerk. Wir spazieren einmal drum herum, staunen, fotografieren und lassen die kreative Energie auf uns wirken.
Morgen wollen wir das Museum auch von innen erkunden. Wenn das Gebäude außen schon so beeindruckend ist, was erwartet uns dann erst drinnen?
167 Kilometer, 4.500 Höhenmeter – und noch 700 km Abenteuer
Mit dem heutigen Tag haben wir bereits 167 Kilometer auf dem Camino del Norte geschafft – und dabei knapp 4.500 Höhenmeter gesammelt. Oder sagen wir: erkämpft! Es bleiben nur noch etwa 700 Kilometer und gut 10.000 Höhenmeter. Ein Klacks, oder?
Aber nach einem Tag wie heute, an dem sich nervenaufreibende Hotelkrimis und friedliche Pilgermomente die Klinke in die Hand geben, sind wir wieder versöhnt mit dem Weg. Der Camino del Norte ist eben wie das Leben selbst: mal chaotisch, mal wunderschön – aber immer voller Überraschungen.


























































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